Heute beantwortet Dr. Moon Hee Fischer die Frage: “Wie schafft man es, Routine in seinem Alltag zu verankern, sich zu motivieren und den inneren Schweinehund zu überlisten?“
Es ist eine große Herausforderung unserer Zeit, den Alltag routiniert zu meistern, aber der Routine des Alltags nicht zu erliegen. Eine alltägliche Routine hat Vorteile. Sie erleichtert unser Leben; Dinge gehen geübt von der Hand und wir wissen, was der Tag uns so bringt. Die Gefahr dabei ist nur, dass wir das Leben und das, was damit verbunden ist, als selbstverständlich hinnehmen. Anstelle von Wachheit, Aufmerksamkeit und Dankbarkeit den Dingen und Menschen gegenüber, tritt eine Abgestumpftheit und Gleichgültigkeit, die uns unserer Lebendigkeit beraubt. Die Folgen sind Mechanisierung und Funktionalisierung der Welt und ein zunehmender Konformismus. Obwohl wir alle nach Freiheit und Individualität schreien, schreiten wir kollektiv im Gleichschritt voran. Jeder tut, was der andere tut. Jeder handelt, wie der andere handelt. Jeder fühlt, was der andere fühlt. Kaum jemand folgt nicht den vorherrschenden sozialen Netzwerken, Trends und Meinungen – aus Angst, etwas zu verpassen, nicht dazuzugehören, oder einfach, weil wir es nicht besser wissen. Diejenigen, die sich aus Trotz der breiten Masse enthalten, folgen genauso wenig ihrer eigenen Intuition und inneren Stimme, sondern re-agieren, wie alle anderen auch, nur auf ihre begrenzte Weise.
Zwischen Aktion und Reaktion muss unterschieden werden.
Der Alltag ist deshalb so ermüdend und trist, weil wir mehr re-agieren, oder besser noch parieren, als agieren. Wir leben unser Leben nicht produktiv – aus unserer Seinsfülle heraus, sondern gedeckelt bzw. passiv aus einem Gefühl des Mangels. Geprägt durch Erziehung, Muster und Glaubenssätze sind wir damit beschäftig, den uns zugespielten Ball abzufangen und wieder zurückzuspielen. Denn wir alle wollen im Spiel bleiben und wollen das Spiel für uns ausmachen. Aus dem Spiel des Lebens, der Leichtigkeit des Seins, ist ein Kampf ums Überleben geworden. Heute ist Leben gleich Überleben.

Wie kommen wir wieder in das Leben zurück? Die Antwort ist: indem wir wieder lebendig werden. Dort, wo Leben ist, kann uns der Alltag nichts anhaben. Im lebendigen Sein ist die Welt in Ordnung. Und wo Ordnung herrscht, geschehen die Dinge ganz von selbst – aus einem innerlichen Bedürfnis heraus – ohne innerlichen Zwang und ohne Druck von Außen. Sind wir innerlich lebendig, dann wissen und fühlen wir, was uns wichtig ist und wofür wir leben wollen. Hier sind Selbst, Wünsche und Ziele eins. Ohne Grenzen zu ziehen, bilden sie ein harmonisches Miteinander.
Mit dem was wir tun, eins sein!
Routine im Alltag verankern zu müssen, die Frage nach Motivation und die Überwindung des inneren Schweinehundes sind jedoch Zeichen dafür, dass wir mit dem, was wir tun, nicht eins sind. Wir sind nicht das, was wir tun, und wir tun nicht das, was wir sind. Sind wir mit dem, was wir tun, nicht eins, dann laufen die Dinge nicht aus sich selbst heraus, sondern müssen durch Einsatz von Disziplin und Mühen erarbeitet werden. Das heißt nicht, dass wir nur das machen sollen, was wir wollen, sondern dass wir das, was wir machen sollen, wollen. Denn da wir uns selbst kaum kennen, wissen wir eigentlich nicht, was wir genau wollen oder benötigen. Deshalb ist es auch bequemer und einfacher, ein anderer zu sein als man selbst. Doch wahres Glück fängt immer bei sich selbst an.
Lebendigkeit ist die Fähigkeit, das Leben – aus sich selbst – offen zu empfangen und es in all seinen Facetten zu bejahen. Fern von mentalen Trennungen und Grenzen pulsiert das Leben in seiner vollkommenen Seinsfülle. Erkennen wir das, dann können wir mit schwierigen Dingen gelassener umgehen und tun mit Selbstvertrauen das, was getan werden sollte. Da wir aus einem inneren Bedürfnis heraus handeln, ist aus Müssen oder Sollen ein Wollen in Freiheit geworden. Nun brauchen wir weder Disziplin noch Belohnungsprinzip. Die Freiheit des Lebendig-Seins ist mir Belohnung genug. Im Lebendig-Sein folge ich meinem eigenen inneren Kompass und nicht dem der anderen. Folge ich mir selbst, dann halte ich mich nicht damit auf, was ich falsch mache, sondern fokussiere mich auf das, was ich richtig machen kann.
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Dr. Moon Hee Fischer ist promovierte Religionsphilosophin und arbeitet im Bereich der alternativen Heilung.
Ihre Schwerpunkte sind mediale Supervision und “Der Weg des Friedens.” Ihre Verknüpfung “spirituelle Medialität und wissenschaftlicher Anspruch” eröffnet nicht nur neue, interessante Ansätze für ein ganzheitliches Bewusstsein, sondern betont vor allem die Fähigkeit der Offenheit und das Mit- und Füreinander – “denn nichts existiert unabhängig voneinander.”
Titelbild: Jack Sparrow via Pexels
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